Dienstag, 24. August 2010

Moody’s: Blues in Muddy Waters

Die europäische Austeritätspolitik ist eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum. Die Gefahren der Deflation werden dadurch nicht gebannt, noch werden die strukturellen Probleme der Vergreisung der Bevölkerung gelöst.

Moody's met en garde contre les politiques de rigueur. Le Monde, 23.08.2010

Anstatt eine Politik der wirtschaftlichen Vernunft zu verfolgen, erliegt die deutsche Regierung der Versuchung, auf billige Demagogie zu machen. Gefordert ist, defizitären EU-Mitgliedsländern aus ihrer strukturellen Falle herauszuhelfen und ihre Wirtschaft anzukurbeln. Stattdessen wird auf Wählerfang gesetzt und diesen Staaten die Pistole der Austeritätspolitik auf die Brust gesetzt, was das Elend nur weiter verschlimmern kann. Indiz für diese politische Demagogie ist der Ausdruck „PIGS“. Die Abkürzung, wen wundert es, hat es bereits zu einem Wikipedia-Stichwortartikel gebracht, obwohl dieser Ausdruck aus dem Börsianerslang nichts weiter als eine Länderliste mit der negativen Konnotation „Staatsverschuldung“ darstellt und eher in ein Slang-Wörterbuch als eine Enzyklopädie gehört. „Kasino-Kapitalismus“ hingegen, über welchen Begriff es wissenschaftliche Werke von Susan Strange, Michel Albert und zuletzt auch Hans-Werner Sinn gibt und der auf einen Vergleich von J. M. Keynes zurückgeht, hat es erst in einer formidablen Löschdebatte geschafft, vorerst noch in der Enzyklopädie drinzubleiben. Wiederum ein Indiz für die politische Schlagseite dieser ach so neutralen Allerwelts-Enzyklopädie.

Das aktuelle Politikversagen erinnert an den Versailler Friedensvertrag, wo gegen alle wirtschaftliche Vernunft Deutschland von den Siegermächten, ebenfalls aus rein demagogisch-wahlpolitischen Erwägungen gezwungen wurde, überhöhte Reparationsforderungen zu akzeptieren. Gleichzeitig hatte man, ohne die wirtschaftlichen Verflechtungen der deutschen Volkswirtschaft mit denjenigen des übrigen Europas in Rechnung zu stellen, es politisch unmöglich gemacht, dass Deutschland diese Wirtschaftsleistungen überhaupt erbringen konnte. J. M. Keynes war einer der ersten, der öffentlich in seinem Buch diesen politischen Schwachsinn angeprangert hatte. – Wo stehen wir heute mit Europa?!

John Maynard Keynes: Krieg und Frieden. Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles. Aus dem Englischen von M. J. Bonn und C. Brinkmann. Hrg. und mit einer Einleitung von Dorothea Hauser. Berenberg, Berlin 1. Aufl. Sept. 2006. ISBN 3-937834-12-5. 13-978-3-937834-12-2.

The boom, not the slump, is the right time for austerity at the Treasury.

- John Maynard Keynes (1937) Collected Writings

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