Montag, 5. März 2012

Mein Krampf

Das Urheberrecht dient am allerwenigsten dem Schutz der Rechte eines Urhebers. In der Regel dient es den Monopolansprüchen eines Unternehmens im Hinblick auf die Verwertung geistigen Eigentums, das andere produziert haben. Nebenwirkung davon kann sein, dass damit auch wirksam die Rechte auf freien Zugang zu Informationen beschnitten werden kann.

Der mehr oder minder offen geführte Streit um die Publikation von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ ist hierfür ein Paradebeispiel.

Vergessen ist heute die „Affäre Wolffsohn“. Georg Geismann, Dekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Bundeswehr-Hochschule in München, hatte für seine Studenten drei Veranstaltungsabende angesetzt, um Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ öffentlich zu lesen und zu diskutieren.

Sein damaliger Kollege Michael Wolffsohn hatte nun dies zum Anlass genommen, bei den Universitätsorganen sowie in den Medien eine Verleumdungskampagne gegen Geismann anzustrengen. Die Rhetorik und der scheinargumentative Schlagabtausch dieser Kampagne sind heute noch studierenswert, zumal sich in Deutschland diesbezüglich noch immer wenig geändert hat.

Da es hier auch noch um die Frage der Freiheit von Wissenschaft und Forschung handelt, ist hier noch folgende anekdotische Anmerkung Geismanns beachtenswert, dass ihm nämlich seinerzeit von Erwin K. Scheuch auch noch vorgeworfen wurde, Geismann mache an der Bundeswehr-Hochschule Propaganda für Kriegsdienstverweigerung. Dieser Vorwurf übertraf Scheuch noch durch seine Behauptung, eine Bundeswehr-Universität sei ein „Tendenzunternehmen“, was mit sich bringe, dass deren Beschäftigten die politischen Grundüberzeugungen ihres Dienstherrens öffentlich vertreten müssten.

Letzterer Fall erinnert in vieler Hinsicht an den Fall des Mathematikers Emil Julius Gumbel, der ab 1930 außerordentlicher Professor für mathematische Statistik an der Universität Heidelberg gewesen war.

„Als Gumbel auf einer internen Sitzung der Heidelberger Sozialistischen Studentenschaft in Erinnerung an die Hungertoten des Kohlrübenwinters 1917/18 davon sprach, dass eine Kohlrübe sich besser als Kriegerdenkmal eigne als eine leichtbekleidete Jungfrau, wurde ihm im Sommer 1932 die Lehrberechtigung entzogen.“ (Emil Julius Gumbel)

Georg Geismann, (1994): Die Affäre Wolffsohn oder Die Nachwehen der deutschen Vergangenheit. UNSPECIFIED. (Unpublished)

Christian Peters, Arno Weckbecker: Auf dem Weg zur Macht. Zur Geschichte der NS-Bewegung in Heidelberg 1920–1934. Dokumente und Analysen. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Hartmut Soell. Zeitsprung Heidelberg. ISBN: 3-924085-00-5.

Freitag, 2. März 2012

Iwan Petrowitsch Pawlow

„Der Artikel beginnt sehr gut, doch nach 1877 kam gar nichts mehr, nur noch der Nobelpreis. Da hatte der Schreiber dann keine Lust mehr?“
So ein Leser auf der betreffenden Diskussionsseite.

Tatsächlich hat der Autor keine Lust mehr gehabt; zumindest innegehalten, um als nicht in Physiologie bewanderter Laie die vielfältigen Experimente und Forschungsresultate von Iwan Petrowitsch Pawlow nach 1877 auch noch zu resümieren. Nachdem Benutzer:Meffo allerdings gesperrt worden ist, hat sowieso die Frage nach dessen Motivation jegliche praktische Relevanz eingebüßt.

Tatsächlich verdiente aber dieser Artikel allerdings den Vermerk „unvollständig“.

Die Leserfrage zeigt jedoch auch exemplarisch, welche Erwartungshaltung an Wiki-Autoren gerichtet wird: möglichst alles perfekt, sofort und natürlich umsonst.

Den minimalen Rechten des Autors steht, wie er sogleich merken wird, ein Maximum an Pflichten gegenüber. Der Autor muss sich mit der Zeit wie ein nützlicher Idiot vorkommen. Genau wie der Lohnabhängige an seinem Arbeitsplatz: Er darf nicht so dumm sein, dass er seine Arbeit nicht erledigen kann, aber dumm genug, sie überhaupt auf sich zu nehmen. Warum soll man sich aber so etwas freiwillig antun?!

Charles Kindleberger

Mit Manias, Panics and Crashes (1978) hat Charles Kindleberger eine umfassende Wirtschaftsgeschichte der Finanzkrisen geschrieben, die bis auf die Zeiten des South Sea Bubble zurückgeht.

Finanzblasen sind typischer Weise immer dann aufgetreten, wenn unerwartete gute Nachrichten die Märkte erreicht haben. Es wird in die neuen Profitgelegenheiten angelegt, und sogleich mehr, als diese realistischer Weise hergeben können.

Kindlebergers nur allzu vernünftige, aber nicht gerade originell erscheinende These befindet sich aber in eklatantem Widerspruch zu der Theorie der rationalen Märkte, an die die Schulökonomen so gerne glauben.

Falsch verlinkt

Der Artikel Charles Kindleberger auf wikipedia.de ist eine ziemlich getreue Übersetzung der englischsprachigen Fassung von Charles Kindleberger auf en.wikipedia.org. Geradezu irreführend ist hierbei jedoch die folgende Wiedergabe:
„Bekannt wurde er unter anderem für seine hegemonische Stabilitätstheorie.“
In der englischsprachigen Fassung steht hingegen:
“He is well known for hegemonic stability theory.“
Nun ist die “hegemonic stability theory“ eine These auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen; die Stabilitätstheorie jedoch eine Theorie auf dem Gebiet der Mathematik.

Die eine Theorie hat mit der anderen nichts zu tun.

Economics focus: Of Manias, Panics and Crashes. The Economist, 19. Juli 2003. S. 66.