Freitag, 13. August 2010

5.) Nach welcher Methode soll verglichen werden?

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Nachdem wir bei der Beantwortung der Frage (3) bezüglich der Kriterien der Theorienbewertung für je nach gewähltem metatheoretischen Paradigma unterschiedliche Bewertungskriterien ausgewählt haben, werden wir demzufolge entsprechend der gewählten Metatheorie eine eigentümliche Methode anwenden, wie wir den Theorienvergleich effektiv organisieren und durchführen

Genauso wie es nichtsdestoweniger legitim ist, Paradigma übergreifende Bewertungskriterien zu entwerfen, so kann man den Versuch wagen, eine möglichst universelle Methode zu entwickeln.

Hierzu sollen nachfolgend ein paar Anhaltspunkte genannt werden:

1.) Die multiparadigmatische Struktur der Metatheorien und der Theorien innerhalb der Sozialwissenschaften in unserer zeit sollte herausgearbeitet werden als eine entsprechend große Vielfalt metatheoretisch und theoretisch verfügbarer Optionen, die sich als Bezugspunkte der Selbstvergewisserung und wechselseitiger Kritik anbieten.

2.) Damit verbunden ist die Auswahl, Identifizierung und Ausarbeitung einer bestimmten Metatheorie und zweier bestimmter Theorien bzw. theoretischer Ansätze auf der Grundlage derselben.

3.) Die Ausarbeitung der gewählten Metatheorie muss auch die Explikation der Kriterien der Theorienbewertung sowie

4.) des Verfahrens beinhalten, in welchem über die Akzeptierung einer Theorie entschieden werden soll.

5.) T und T' müssen so rekonstruiert werden, dass den Theorienelementen gemäß dem Linderberg/Wippler-Modell mit ihren unterschiedlichen logischen Funktionen Rechnung getragen wird.

6.) Es müssen Übersetzungsregeln für T' nach T und umgekehrt entwickelt werden. In eine angeblich "ansatzunabhängige" Sprache zu übersetzen, wie Matthes (1978, S. 15) vorgeschlagen hat, erscheint jedoch aussichtslos. Denn ein solches Medium existiert nicht. Die "asymmetrische" Übersetzbarkeit ist der einzige offene Weg, der weiterführt.

7.) Nach Herstellung der "Kommensurabilität" zwischen T und T' gemäß der gelieferten Übersetzung können auf beide gleichermaßen die Kriterien gemäß (3) und

8.) das Entscheidungsverfahren gemäß (4) angewandt werden.

9.) Schließlich sind heuristische Verfahren einsetzbar, wie die Abwandlung der unabhängigen und der abhängigen Variablen von T und T' (vgl. Opp 1978, S. 216 ff.), um als Quintessenz von Schritt (7) und (8) T progressiv umzuformen.

Matthes (1978, S. 16) kritisiert sicherlich zurecht, dass häufig Hypothesen und Konzepte, welche sich nicht von T' in T übersetzen und assimilieren ließen, leichtfertig als unbrauchbar verworfen werden.

Eine progressive Strategie würde beinhalten, T insoweit abzuändern, dass eine Übersetzung möglichst aller Elemente von T' statthaben kann.

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Literatur

Giesen/Schmid 1978: Bernard Giesen, Michael Schmid, Methodologische Modelle und soziologische Theorien, in: Hondrich/Matthes 1978, S. 232-254.

Hondrich/Matthes 1978: Karl Otto Hondrich, Joachim Matthes (Hrg.), Theorienvergleich in den Sozialwissenschaften, Darmstadt Neuwied 1978.

Lindenberg/Wippler 1978: Siegwart Lindenberg, Reinhard Wippler, Theorienvergleich: Elemente der Rekonstruktion, in: Hondrich/Matthes 1978, S. 219-231.

Matthes 1978: Joachim Matthes, Die Diskussion um den Theorienvergleich seit dem Kasseler Soziologentag 1974, in: Hondrich/Matthes 1978, S. 7-20.

Opp 1978: Karl-Dieter Opp, Probleme und Strategien des Theorienvergleichs, in: Hondrich/Matthes 1978, S. 213-218.

Spinner 1972: Helmut F. Spinner, Pluralismus als Erkenntnismodell, Frankfurt/M. 1974.

Wippler 1978: Reinhard Wippler, Die Ausarbeitung theoretischer Ansätze zu erklärungskräftigen Theorien, in: Hondrich/Matthes 1978, S. 196-212.

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