Donnerstag, 27. Januar 2011

US-Konservative haben ihr eigenes Bild von Europa.



Dies Bild ist geprägt von ihrer Ideologie, die bekanntlich den Wohlfahrtsstaat für einen Ausbund an Kommunismus sowie das schlimmstmögliche wirtschaftliche Übel auf dieser Welt hält. Der spekulative Angriff der Angelsachsen gegen den Euro (vgl. die Propaganda auf dem Wallstreet Journal) kann wohl kaum anders erklärt werden.

Dass diese Ansicht nur als Ausdruck ihrer Ideologie verständlich gemacht werden kann, lässt sich am Beispiel Irland demonstrieren. Man muss nur das Gehirn einschalten und die Augen aufmachen.

Irland ist jetzt nicht zu Austeritätspoiltik gezwungen, weil sich der Staat aus sozialpolitischen Gründen verschuldet hätte.

Irlands Regierung hat den Weg der Austerität gewählt, weil sie versäumt hat, die Banken zu überwachen und effizient zu regulieren.

Das ist aber genau die Politik, die US-Konservative als Weg zur Hölle anprangern.

The New York Times, January 27, 2011.
Their Own Private Europe
By PAUL KRUGMAN

Dienstag, 18. Januar 2011

Wer verdient an der Krise?

Aktienoptionen für Goldman Sachs-Partner

"Nearly 36 million stock options were granted to employees in December 2008 — 10 times the amount issued the previous year — when the stock was trading at $78.78. Since those uncertain days, Goldman’s business has roared back and its share price has more than doubled, closing on Tuesday at nearly $175."

Susanne Craig, Eric Dash: Study Points to Windfall for Goldman Partners. The New York Times, 20. Januar 2011.

Freitag, 14. Januar 2011

Hassprediger in US-Medien: Rush Limbaugh

“The Arizona sheriff investigating the Tucson shooting that left U.S. Rep. Gabrielle Giffords critically wounded had harsh words today for those engaging in political rhetoric, calling conservative radio host Rush Limbaugh ‘irresponsible’ for continuing the vitriol,” reported ABC News’s Sarah Netter. “ ‘The kind of rhetoric that flows from people like Rush Limbaugh, in my judgment he is irresponsible, uses partial information, sometimes wrong information,’ Pima County Sheriff Clarence Dupnik said today. ‘[Limbaugh] attacks people, angers them against government, angers them against elected officials and that kind of behavior in my opinion is not without consequences.’ ”

Tobin Harshaw: There’s a New Sheriff in Politics. The New York Times, 14. Januar 2011.

auf wikipedia.de: Rush Limbaugh

auf wikipedia.en: Rush Limbaugh

Schon ein oberflächlicher Vergleich der beiden Artikel zeigt, dass sie sich signifikant unterscheiden. Die englischsprachige Version ist umfangreicher, was bei einem US-Stichwort kaum verwundert. Doch ist die englische Version auch offener im Umgang mit kontroversen Beurteilungen. Man könnte dies so interpretieren, dass das deutsche Wikipedia-Establishment in Furcht vor ideologischer Einseitigkeit dazu neigt, die gewichtete Mehrheits-Ideologie der Mainstream-Medien zu bevorzugen (allein schon durch die Regel, welche Quellennachweise mit Autorität vorschreibt) oder relevante Aspekte auf dem Gebiet des Stichworts am besten totzuschweigen (die Regel, die POV - point of view - untersagt).

Derlei formalistisch begründetes Streben nach "enzyklopädischer" Schreibweise erzeugt letztlich eine "Enzyklosklerose". Denn nach einem Edit-War kommt in der Regel mühselig auf wenig nachvollziehbare Weise ein Artikel zustande, der schließlich niemand voll befriedigt, für den gewöhnlichen Leser aber nur noch schwer nachzuvollziehen ist; den aber niemand mehr den Mumm hat, entscheidend zu verändern, weil es neuerlich Zeit und Mühe zur Führung eines Edit-Wars beanspruchen würde.

Zum politischen Hass in den USA lese man Kolumnist Paul Krugman:

"The point is that there’s room in a democracy for people who ridicule and denounce those who disagree with them; there isn’t any place for eliminationist rhetoric, for suggestions that those on the other side of a debate must be removed from that debate by whatever means necessary.

And it’s the saturation of our political discourse — and especially our airwaves — with eliminationist rhetoric that lies behind the rising tide of violence.

Where’s that toxic rhetoric coming from? Let’s not make a false pretense of balance: it’s coming, overwhelmingly, from the right. It’s hard to imagine a Democratic member of Congress urging constituents to be “armed and dangerous” without being ostracized; but Representative Michele Bachmann, who did just that, is a rising star in the G.O.P.

And there’s a huge contrast in the media."

Paul Krugman: Climate of Hate. The New York Times, 9. Januar 2011.

Zum Jahrestag der Wikipedia wird in den Medien einhellig von einem "Siegeszug" gesprochen. Darüber wird leicht vergessen, dass man sich auch zu Tode siegen kann. Denn nicht nur bei Unternehmen fangen die Probleme erst richtig an, wenn sie richtig erfolgreich werden. Das organisatorisch zu verkraften, ist meist die größere Herausforderung als aufzusteigen.

In der sozialen Theorie ist der Übergang von einem "Urchristentum" zu einer "Kirche" (vgl. etwa Hegels Reflexionen über die Judentum und Christentum), über den Übergang von charismatischer Herrschaft zu bürokratischer Routine (Max Weber), von antiautoritärem Chaotentum zum "Marsch durch die Institutionen" oder allgemein: von sozialer Bewegung zu politischer Organisation seit jeher bekannt. Wenn innerhalb einer Bewegung wie der Wikipedia sich die Herrschaft einer oligarchischen Clique etabliert hat, so ist das nach Robert Michels unausweichlich.

"Die grundlegende und orientierende Ideologie der Wikipedia hat sich im Laufe des Projekts gewandelt. Der Wandel vollzog sich von einer Befreiungs- und Produktionsideologie (Befreiung des Wissens aus dem Copyright, jeder kann teilnehmen, Sammeln des Weltwissens durch die Beteiligung vieler) hin zu einer Produktideologie (Güte des Produkts, Wettbewerb mit anderen Enzyklopädien, Vorrang der Organisation vor Teilnahmemöglichkeit aller). Das Besondere dabei ist, dass sich die Wandlung vor allem bei den wenigen Aktivisten vollzog – Ursache hierfür ist die intensive Auseinandersetzung zwischen den Aktivisten und den Erfahrungen, die diese mit anderen Teilnehmern (insbesondere sog. Vandalen und Trolls) gemacht haben und täglich erneut machen. Die weniger Engagierten dagegen stehen bei solchen Diskussionen abseits – „offizielle“ Verlautbarungen, etwa Spendenaufrufe betonen die ältere Befreiungsideologie. Aufgrund der ideologischen „Spaltung“ von Wikipedia entstehen laufend Konflikte. Mit dieser Feststellung, die durch zahlreiche in einem Forschungsprojekt gewonnene Erkenntnisse gestützt wird, kann zumindest ein Teil der Problematik sich abwendender Mitarbeiter und der schwache Zustrom neuer Mitarbeiter erklärt werden."

Christian Stegbauer

Dienstag, 11. Januar 2011

Der Historizismus in der US-Weltpolitik

Es ist schon mehr als Ironie. Die grundsätzliche Kritik, die Karl Popper seinerzeit der marxistischen Geschichtsphilosophie - die er zu Recht oder Unrecht als "Historizismus" konstruierte - angedeihen ließ, lässt sich effektiv an grundlegenden Überzeugungen der US-Hegemonialpolitik üben.

1. Globalisierung und freier Handel fördern wechselseitigen Nutzen (win-win-Situation der Handelspartner).
2. Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung eines Landes gehen Hand in Hand.
3. Globalisierung ist gleich Amerikanisierung, demnach fördert sie die Durchsetzung US-amerikanischer Wertvorstellungen.
4. Demokratische Staaten haben keine grundsätzlichen Interessengegensätze, daher kommen alle demokratische Staaten der Führungsrolle der USA entgegen.

GIDEON RACHMAN: Think Again: American Decline. Foreign Policy Jan./Feb. 2011.

Grundlage solcher weltgeschichtlicher Vorurteile, die oft schon nicht mehr bewusst gemacht werden, ist die Theorie der "Industriegesellschaft" und der "Modernisierung". Gerade der Fall China beweist, dass sich hinter dieser angeblich wissenschaftlichen Soziologie nichts weiter als eine Ideologie verbirgt, die den besonderen Fall der USA als allgemeinverbindliches Muster von Gesellschaftsentwicklung unterstellt. Ein theoretisches Versatzstück, das oft verwoben ist mit weiteren Thesen des Globalismus.

Karl Marx schon benutzte im Vorwort zum "Kapital" eine vergleichsweise Simplifikation, als er schrieb, England sei für die nachfolgenden Länder das Vorbild industrieller Entwicklung. Der Fehler besteht darin, Entwicklungen nur unilinear und mono-kausal oder doch nur von wenig Ursachen bedingt zu denken.