Sonntag, 26. Dezember 2010

Dodd-Frank Act

Der Dodd-Frank Act stellt die Reform der Finanzmarktregulierung der Vereinigten Staaten dar und beinhaltet unter anderem auch Aspekte der sog. Volcker Rule.

Damit diese Reform, die die nächste Krise verhindern soll, auch wirklich greift, bedarf sie der Umsetzung in konkrete und praktische Regeln. Die zuständigen Behörden arbeiten daran. Die Republikaner, die bei den letzten Wahlen Oberhand gewonnen haben, arbeiten jedoch mit derselben Kraft daran, das Reformprojekt zu torpedieren. Es soll, wenn es nach ihnen geht, bei dem alten System bleiben, wonach die Banken der Regierung sagen, wo es lang gehen soll.

How to Derail Financial Reform, The New York Times, Leitartikel, 26. Dezember 2010.

Freitag, 24. Dezember 2010

Raus aus dem Kollaps, rein in den Kollaps!

Raus aus dem Kollaps der Planwirtschaft, rein in den Kollaps des Kasino-Kapitalismus!

Die baltischen Staaten (Estland, Litauen, Lettland) sowie Bulgarien und Rumänien bezahlen für die Sünden des Kasino-Kapitalismus. Denn ihre wirtschaftliche Entwicklung basierte auf einer Integration in das EU-Bankensystem, das in der optimistischen Unverantwortlichkeit voll auf die EU-Integration setzte und Kreditmilliarden in die Wirtschaft pumpte.

Das zeigt eine Analyse, die die unterschiedliche Performanz von Staaten wie Polen und Tschechien, denen einigermaßen eine gewisse Reindustrialisierung gelang, mit denen des Baltikums oder von Bulgarien und Rumänien zeigt.

"What factors have contributed to these diverging developments? The speed of credit growth seems to correlate well with unsustainable developments and hence the key question is what are the underlying causes of fast credit growth, particularly in the BB5 and WB6 countries? Certainly the fixed exchange rate in many countries was a contributing factor, since price-level convergence could occur only through higher inflation (as opposed to nominal exchange-rate appreciation). However, other domestic policies, such as fiscal policy or banking regulation, did not play a significant role. Instead, deep integration with the EU has predisposed CESEE countries to large capital inflows. It is fair to conclude, not just with the benefit of hindsight, that the lending practices of mostly foreign-owned banks were not always prudent.

When the crisis started, it first hit western banks forcing them to accumulate liquidity to cover losses from non-performing assets, and to build up reserves. This led to sudden interruptions, and even reversals, of bank-linked parts of capital inflows to the emerging markets, including most of the CESEE region. This was accompanied by outflow of other categories of capital as other financial investors became more riskaverse and decided to reduce their exposure in CESEE countries and fly to 'safe havens'. The resulting credit crunch was strong enough to depress economic activity and pitch most CESEE economies into recession. The impact was exacerbated by the subsequent export and investment declines, the latter resulting from increased overall uncertainty about future growth prospects. As the crisis unfolded, the credit crunch was replaced by falling demand for credit, caused by increased uncertainty and lowered expectations with respect to future growth prospects (Ghosh, 2009)."

Whither growth in central and eastern Europe? Policy lessons for an integrated Europe.
BY TORBJÖRN BECKER, DANIEL DAIANU, ZSOLT DARVAS, VLADIMIR GLIGOROV, MICHAEL LANDESMANN, PAVLE PETROVIC, JEAN PISANI-FERRY, DARIUSZ ROSATI, ANDRÉ SAPIR AND BEATRICE WEDER DI MAURO.

BRUEGEL BLUEPRINT SERIES, Volume XI. www.bruegel.org. ISBN: 978-9-078910-17-6.

Triangulation - alter Wein in neuen Schläuchen

Wie geht US-Präsident mit den Republikanern um, die bei den letzten Wahlen die Oberhand gewonnen haben? In Folge einer strategischen Neuausrichtung will er seinen politischen Beraterstab reorganisieren. Dabei will er von seinen Vorgängern im Amte lernen, ohne jedoch Bill Clintons Auswegsversuche zu kopieren. Insbesondere "triangulation" sei ein Ansatz Clintons, der Obama nicht ins Konzept passe.

"Despite all his time studying the Clinton administration, Mr. Obama told his aides that he had no intention of following the precise path of Mr. Clinton, who after the Democratic midterm election defeats of 1994 ordered a clearing of the decks inside the White House, installed competing teams of advisers and employed a centrist policy of triangulation. In fact, several advisers confirmed, the word “triangulation” has been banned by Mr. Obama because he does not believe it accurately describes his approach."

JEFF ZELENY: Obama Is Set to Shuffle His Staff. NYT, 23.12.2010.

Was versteht man indes unter "triangulation" innerhalb der US-amerikanischen Politik?

"Triangulation is the name given to the act of a political candidate presenting his or her ideology as being "above" and "between" the "left" and "right" sides (or "wings") of a traditional (e.g. UK or US) democratic "political spectrum". It involves adopting for oneself some of the ideas of one's political opponent (or apparent opponent). The logic behind it is that it both takes credit for the opponent's ideas, and insulates the triangulator from attacks on that particular issue. Opponents of triangulation[who?], who believe in a fundamental "left" and "right", consider the dynamic a deviation from its "reality" and dismiss those that strive for it as whimsical."

Derlei Versuche, über den politischen und idelogischen Fronten zu stehen, hat es schon früher gegeben. Proudhons Philosophie des Elends war ein solcher Versuch, zwischen der bürgerlichen politischen Ökonomie und dem Kommunismus zu vermitteln. Marx hat in seiner Widerlegungsschrift Proudhon eine ungangbare Methode nachgewiesen.

"Unter einer dialektischen Abfolge versteht Proudhon eine Anordnung ökonomischer Kategorien (worunter er auch "Maschinen" fasst, was Marx als unökonomische Kategorie ablehnt[6]), wobei eine gute Seite einer schlechten Seite widerspricht und schließlich beide in einer Synthese versöhnt werden. Das ist für Marx weder (Hegelsche) Dialektik, noch eine befriedigende Vorgehensweise, da statt einer Erklärung lediglich moralische Wertungen zum Tragen kommen."

Oder in Marxens Original:

"Proudhon die Dialektik Hegels unterwirft, sobald er sie auf die politische Ökonomie anwendet.

Für Herrn Proudhon hat jede ökonomische Kategorie zwei Seiten, eine gute und eine schlechte. Er betrachtet die Kategorien, wie der Spießbürger die großen Männer der Geschichte betrachtet: Napoleon ist ein großer Mann, er hat viel Gutes getan, er hat auch viel Schlechtes getan.

Die gute Seite und die schlechte Seite, der Vorteil und der Nachteil zusammengenommen bilden für Herrn Proudhon den Widerspruch in jeder ökonomischen Kategorie.
Zu lösendes Problem: Die gute Seite bewahren und die schlechte beseitigen."

[Marx: Das Elend der Philosophie, S. 160. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 2467 (vgl. MEW Bd. 4, S. 131)]

Der Begriff "Triangulation" hat neuerdings auch in der Methodologie der empirischen Wissenschaften eine gewisse Karriere hinter sich gebracht.

Triangulation ist eine Forschungsstrategie in der empirischen Sozialforschung, bei der verschiedene Methoden oder Sichtweisen auf das gleiche Phänomen angewendet werden oder verschiedenartige Daten zur Erforschung eines Phänomens herangezogen werden, um mit den Stärken der jeweils einen Vorgehensweise die Schwächen der jeweils anderen auszugleichen. Ziel ist es zumeist, eine höhere Validität der Forschungsergebnisse zu erreichen und systematische Fehler zu verringern.

Man könnte hieraus entnehmen, dass "Triangulation" eine Fortführung methodischer Ideen und Überlegungen ist, die zu Hochzeiten des Kritischen Rationalismus als Theorienpluralismus bzw. Methodenpluralismus diskutiert wurden.

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Dummheit wird zur Gewalt, sobald sie die Massen ergreift

Still, why does it matter what some politicians and think tanks say? The answer is that there’s a well-developed right-wing media infrastructure in place to catapult the propaganda, as former President George W. Bush put it, to rapidly disseminate bogus analysis to a wide audience where it becomes part of what “everyone knows.” (There’s nothing comparable on the left, which has fallen far behind in the humbug race.)

Paul Krugman: The Humbug Express. The New York Times, 23.12.2010.

Wenn die Regierenden am Ende von ihrem Latein sind, so heißt das nur, dass ihnen ihre Rezepte ausgehen.

Wenn sie sagen, es gibt zu ihrer traurigen Politik keine Alternative, so besagt das nichts anderes, als dass die unausgesprochenen Prämissen dieser Politik ("die unhintergehbaren Voraussetzungen") ihnen persönlich nicht hinterfragbar sind. Die Grenzen ihrer Denkfähigkeiten sind die Grenzen ihrer realen Handlungsfähigkeit.

Die Alternativlosigkeit ist aber keine reale Alternativlosigkeit, sondern existiert nur für die herrschende Politstrategen. Denn sie kann man beseitigen, indem man das politische Personal auswechselt und allgemeinschädliche Machtstrukturen außer Wirkung setzt.

Sonntag, 5. Dezember 2010

Multikultureller Begriffspluralismus auf Wikipedia

Gegenüber unseren deutschen Wikipedia-Oberlehrern ist es erfrischend festzustellen, dass es andernorts auch anders geht.

Während Bouclier fiscal in Frankreich den globalen Höchststeuersatz eines Steuerpflichtigen bedeutet, also ein Begriff des Steuerrechts und der Steuerlehre darstellt, kennen die Deutschen, den Anglophonen nachfolgend, die Welt und ihre Begriffe nur noch als Betriebswirtschaftslehre bzw. Management science:

Steuerschild bzw. auf Denglisch "Tax Shield" bzw. original Englisch Tax Shield ist diesen Leuten nichts als ein Mittel, um durch Absetzen von der Steuer die Profite noch zu steigern.

Da wird dann vollkommen unverständlich, wenn es in Le Monde heißt:

Le bouclier fiscal est mort, vive l'impôt progressif

Steuergerechtigkeit