Donnerstag, 23. Juli 2009

Klassische Nationalökonomie

Version vom 7. Januar 2010 unter Klassische Nationalökonomie

Die klassische Nationalökonomie oder '''klassische politische Ökonomie''' bezeichnet in der Geschichte der ökonomischen Analyse die Theorien und das Wirken der Klassiker der politischen Ökonomie. Paradigmatische Geltung erlangte für diese Periode der Theoriegeschichte der Wirtschaftswissenschaften das Werk von Adam Smith aus dem Jahre 1776 mit dem Titel: ''An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations''.

Karl Marx, dessen ökonomische Analyse in direkter Auseinandersetzung mit dieser Theorietradition entstanden ist, setzte den Beginn dieser Tradition mit William Petty an. Er grenzte „klassische politische Ökonomie“ ab zur „Vulgärökonomie“, womit er die Periode nach David Ricardo und Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi bezeichnete.
„Um es ein für allemal zu bemerken, verstehe ich unter klassischer politischer Ökonomie alle Ökonomie seit W. Petty, die den innern Zusammenhang der bürgerlichen Produktionsverhältnisse erforscht im Gegensatz zur Vulgärökonomie, die sich nur innerhalb des scheinbaren Zusammenhangs herumtreibt, für eine plausible Verständlichmachung der sozusagen gröbsten Phänomene und den bürgerlichen Hausbedarf das von der wissenschaftlichen Ökonomie längst gelieferte Material stets von neuem wiederkaut, im übrigen aber sich darauf beschränkt, die banalen und selbstgefälligen Vorstellungen der bürgerlichen Produktionsagenten von ihrer eignen besten Welt zu systematisieren, pedantisieren und als ewige Wahrheiten zu proklamieren."
[Karl Marx: ''Das Kapital.'' MEW 23:95, Anm. 32]

Keynes dagegen verstand unter „klassisch“, was bei ihm nun einen abwertenden Akzent bekam, so gut wie alle seine Vorgänger in der ökonomischen Analyse. Er nennt beispielhaft John Stewart Mill, Alfred Marshall und Arthur Cecil Pigou. (John Maynard Keynes: ''The General Theory of Employment, Interest and Money.'' Chapter I, Fußnote 1.)

Joseph A. Schumpeter bezieht in seiner ''Geschichte der ökonomischen Analyse'' „klassisch“ 1. ähnlich wie Marx auf die Periode von Adam Smith bis John Stuart Mill, 2. wie Keynes auf die Theoretiker vor Keynes. 3. jedoch nennt er eine „klassischen Situation“, wenn nach einer langen Zeit voll Kontroversen eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt wird und die vorhergegangene schöpferische Phase der Theoriebildung konsolidiert wird. (Joseph A. Schumpeter, (Elizabeth B. Schumpeter, Hg.): ''Geschichte der ökonomischen Analyse.'' Erster Teilband. Vandenhoeck Ruprecht Göttingen 1965. S. 89f, Anm. der Herausgeberin.)

Erst Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts wird die klassische Ökonomie als vorherrschende Lehre von neueren Strömungen – Historische Schule der Nationalökonomie, Neoklassik, Österreichische Schule, Keynesianismus – abgelöst. Schumpeter setzt für den Traditionsbruch das Jahr 1870 an, das mit einem Niedergang des Liberalismus verbunden war. Die daran anschließende Revolution in der ökonomischen Analyse führte zu einer neuen „klassischen Situation“, einem neuen Paradigma. (Joseph A. Schumpeter, Elizabeth B. Schumpeter, Hg.: ''Geschichte der ökonomischen Analyse.'' Zweiter Teilband. Vandenhoeck Ruprecht Göttingen 1965. S. 929)

Das Erkenntnisprogramm der klassischen Ökonomie lässt sich nach Hans Albert wie folgt charakterisieren:
1. durch die Annahme sozialer Gesetzmäßigkeiten
2. soziale Tatsachen können durch das Zusammenwirken von individuellen Handlungen und deren Situationsbedingungen erklärt werden
3. wesentliche Handlungsbedingung ist die Knappheit der Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
4. das Selbstinteresse ist wichtige Orientierungsbasis für rationales Handeln
5. das Handeln wird mitbestimmt durch das institutionelle Umfeld.

[Hans Albert: ''Die Idee rationaler Praxis und die ökonomische Tradition'']

Für die klassischen Ökonomen stand das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft im Mittelpunkt des theoretischen Interesses. (Ernesto Screpanti, Stefano Zamagni: ''An Outline of the History of Economic Thought.'' Oxford 1993. S. 147)

Hingegen geht es der neoklassischen Ökonomie (Peter D. Groenewegen: ''A soaring eagle: Alfred Marshall, 1842-1924.'' Cheltenham Northampton 1995. S. 1) um die Allokation von Ressourcen in einer gegebenen Situation. Dieses Problem des optimalen Mitteleinsatzes wurde nunmehr vorwiegend auf der mikroökonomischen Ebene betrachtet, wobei eine Substitution der Produktionsfaktoren als möglich angesehen wurde. (Jochen Nielen: ''Das Leitbild des Laisser-faire in der Politischen Ökonomie von Smith bis Keynes, dargestellt anhand der Hauptwerke von Smith, Malthus, Ricardo, Mill, Marshall und Keynes.'' Diss. Bonn 2000. S. 163) Die Erkenntnisse der neoklassischen Theorie wurden zum ersten Mal von Alfred Marshall zusammengefasst.(Joseph A. Schumpeter: ''History of Economic Analysis.'' Oxford New York 1954. S. 833)

* Bertram Schefold: ''Reflections on the Past and Current State of the History of Economic Thought in Germany'', in: ''The Future of the History of Economics.'' ed. by E. Roy Weintraub. History of Political Economy, Annual Supplement to vol. 34. Durham and London: Duke University Press 2002, pp. 125-136 (2002)
* Heinz D. Kurz: RICARDIAN VICE
* ''The History of Economic Thought Website'', The New School of Social Research. 6 Feb. 2006

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