Donnerstag, 31. März 2011

Katastrophen-Ökonomie




Georg Zachmann (BRUEGHEL) analysiert die Gemeinsamkeiten der Finanzkrise und der japanischen Nuklearkatastrophe. Seine Thesen im Einzelnen:

(1) In komplexen Systemen sind die Ereigniswahrscheinlichkeiten extrem schwer zu berechnen; umso schwieriger, wenn mehrere Ereignisse gemeinsam auftreten.

Meine Kritik: Der grundlegende Fehler der herrschenden Ökonomie besteht schon darin, sich auf Risikoberechnungen allein zu verlassen. Es gibt Neues in der Geschichte. Auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung setzt wie der herkömmliche „Determinismus“ auf absolute Gleichförmigkeit der kausalen Zusammenhänge. Näheres siehe „Handeln unter Ungewissheit“ („Ergodizität“) bei Paul Davidson.

Die Modell-Methode ist in den Sozialwissenschaften unverzichtbar. Das darf aber nicht zu Modell-Verliebtheit führen (Modellplatonismus), indem von Modellaussagen unmittelbar in die politische Wirklichkeit bei der historischen Umsetzung gesprungen wird. In dieser Anwendungskritik allein enthält Poppers Historizismuskritik einen rationalen Kern. Wenn man in diesem Sinne von Historizismus oder Utopismus sprechen will, so darf sich derlei Kritik nicht allein auf Marxisten beziehen (oder als "ricardian vice" auf David Ricardo), sondern in noch viel höherem Maße auf die herrschenden Ökonomen und deren klaffendem Widerspruch zwischen abstrakter Modellschreinerei und keineswegs wertfreier „Politikberatung“.

So hat zum Beispiel der „Wirtschaftsweise“ Wolfgang Franz derzeit die Option zwischen dem Aufsichtsrat von EnBW und bei Ernst & Young. Die Verstrickung von Wirtschaft und Wissenschaft ist gewiss schön für Franz, aber schlecht für Wissenschaft als die Suche nach der wirklichen Wahrheit. Popper hat Platons Ideal der Philosophen als Könige kritisiert. Wie steht es aber um die ökonomischen "Experten" als Manager und Politiker?!

(2) Die Katastrophe hat eine Schadenskette zur Folge, die nationale Grenzen überschreitet. Der Nutzen einer Schadensvorsorge und –begrenzung stößt jedoch auf nationale Unterschiede, die unterschiedliche Anreizstrukturen zum entschlossenen politischen Handeln bedingen.

Das Problem ist in der ökonomischen Literatur generell bekannt unter „Erstellen eines Kollektivguts“.

(3) Dieselben nationalen Unterschiede in der Verteilung von Nutzen und Schaden erstrecken sich auch auf die Risikobeurteilung der ökonomischen und politischen Akteure.

(4) Die Regulatoren konnten das Risikoereignis nicht verhindern, sei es aufgrund von Informationsproblemen, sei es aufgrund von Machtverhältnissen.

Ein rationales Verfahren im Sinne der herrschenden Ökonomie wäre eine Pflichtversicherung aller beteiligten Investoren, die von dem individuellen Risikoprofil eines jeden Projekts ausgehen würde. Dies würde eine systemimmanente Verbesserung darstellen, aber die grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf die technische Beherrschbarkeit höchst ungewisser Prozesse keineswegs völlig beseitigen.

Of meltdowns and fallouts: What does the financial and the nuclear crises have in common? by Georg Zachmann on 23rd March 2011

1 Kommentar:

  1. Wirtschaftsweiser Franz verlässt den Aufsichtsrat von EnBW,
    http://www.nachdenkseiten.de/?p=8919#h06

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