Sonntag, 8. Februar 2009

Das Wertproblem in der Ökonomie

"Die Geschichte des Finanzwesens ist auch die Geschichte eines Ringens um eine stabile, sichere Methode zur Wertmessung – das, wie jedes andere Streben nach Gewissheit in unserer unberechenbaren Welt, zum Scheitern verurteilt war. Die jüngste Finanzkrise illustriert diese Schwäche auf eindrucksvolle Weise: Sie tilgt jedes Gefühl, dass man Vermögenswerten einen präzisen Preis zuweisen kann. Die meisten Menschen sind inzwischen überzeugt, dass dieses Versagen in der Natur des Finanzsystems liegt. Doch enthüllen Unsicherheiten über den Wert zugleich tief greifende Probleme der politischen Ordnung."
Harold James: Deflation und Demokratie

Wenn nur Handeln begriffen werden kann, das rational ist (Praxeologie, von Mises), so ist irrationales Handeln unerklärbar. Eine Erklärung von Handlungen dadurch, dass sie als irrational bezeichnet werden, ist dann nichts weiter als eine Pseudo-Erklärung (Begriff von Schumpeter, Konjunkturzyklen, I).

Analoges gilt für Dogmatismus und Metaphysik, bzw. für die entsprechenden Vorwürfe, die man gegnerischen Autoren an den Kof knallt. Was den eigenen methodologischen Ansprüchen an Wissenschaftlichkeit nicht zu genügen scheint, wird flugs in die Kiste von Metaphysik und/oder Dogmatismus befördert. Irgendein wissenschaftliches Problem wird damit freilich nicht gelöst; wohl aber die Zankerei von Wissenschaftlern (R. K. Merton) auf ein neues unfruchtbares Niveau gehoben.

So verfährt etwa Joan Robinson (An Essay on Marxian Economics, 1942) mit der Marxschen Werttheorie. Was ihrem positivistischen Zeitverstand nicht verdaulich ist, wird als Hegelian stuff and nonsense in den Papierkorb befördert.(Wolfgang Müller)

Was an diesem Verfahren wahrlich dogmatisch ist, ist das Vorgehensweise dieser angeblichen "Anti-Dogmatiker". Hier reproduziert sich eigentlich nur der Geburtsfehler des Positivismus, welcher schlicht glaubte, die Metaphysik einfach dadurch aufheben zu können, dass sie Philosophie, genauer philosophisches Denken, per Nichtdenk-Befehl negierte. Man beseitigt jedoch Theoretisieren nicht dadurch, dass man es sich verbietet; genausowenig die Philosophie. Denn auch Nicht-Philosophie ist Philosophie (da auch Unphilosophie selbst wieder auf höchst problematischen Voraussetzungen beruht, die lediglich sich selbst nicht eingestanden werden). Selbst Popper hat dies schließlich immer besser erkannt (trial and error?!); nur einige seiner Anhänger haben damit nach wie vor Schwierigkeiten, diese Binsenwahrheit einzusehen und sind demzufolge mitunter Philosophen gegen deren eigenes Dafürhalten (Geismann kontra Keuth).

Und an dieser Stelle reproduziert sich ein in der Philosophie altbekanntes Schema. Die Probleme, die nicht innerhalb eines wissenschaftlichen Systems gelöst werden, stellen sich dann außerhalb desselben; oder umgekehrt: Die Probleme einer fremden Theorie, die in die eigene integriert worden ist, stellen sich dann, in häufig unverminderter Schärfe, innerhalb desselben.(Systematologie, Franz Kröner).

Diese Grundeinsicht (um nicht zu sagen: Binsenwahrheit) lässt sich wunderbar hier auf das den Ökonomen gänzlich verleidete Wertproblem anwenden. Nach der gängigen Lehrauffassung krebsen wir auch heute noch auf so ziemlich demselbem Standpunkt wie J. Robinson herum (zumindest ist das noch bis vor Kurzem die auf wikipedia.de veröffentlichte Vulgärmeinung): Das Wertproblem ist kein wissenschaftliches Problem; es stellt sich überhaupt nicht, weil es nichts weiter als metaphysischer Unsinn ist.

Wenn das man das so einräumen wollte, so ist damit aber lediglich erreicht, dass dasselbe Problem sich innerhalb der heutigen ökonomischen Theorie nur in einer anderen Form zeigt, vielleicht auch bloß an einer eher unerwarteten Stelle. Vielleicht als Indexproblem, vielleicht als Problem, Kapital als Begriff so zu fassen, dass er unabhängig von der Kapitalproduktivität ist, ...

Was entschieden dabei gelitten hat, ist indes das Problemverständnis, insbesondere überhaupt diejenige Problemauffassung, die zum wahrhaften Verständnis der Geschichte der ökonomischen Theorien unabdingbar ist. Wer Wert- und Preisbegriff nicht auseinanderzuhalten weiß (vgl. Hans Albert, Ökonomische Ideologie und politische Theorie, 1972 zu dieser fundamentalen Unterscheidung), kann überhaupt nicht mehr das Problem der Werttheorie einsehen, also der Debatte überhaupt nicht geistig folgen. Haben Sie schon einmal eine Diskussion verstanden, wenn Sie überhaupt nicht wussten, worum es eigentlich, verteufelt noch mal, ging?!

Der eitle Erfolg der Anti-Dogmatiker ist also schlussendlich der Sieg der eigenen Ignoranz.

Wer wie Niehans leugnet, dass es eine Werttheorie gibt oder je gegeben hat bzw. dass die Arbeitswerttheorie schlichtweg tot ist (Und das mit der Begründung, dass kein Arbeitswerttheoretiker seit Ökonomen-Gedenken einen deutschen Lehrstuhl je inne gehabt hat. Es ist dies indes nicht zum ersten Mal, dass uns Deutschen aus einem geistigen Provinzialismus eine ewige Wahrheit geboren wird.), der demonstriert dadurch lediglich, dass er die Grundlagen des eigenen Faches nicht kennt. Dass ein deutscher Ökonomieprofessor diese gar nicht mehr zu kennen braucht, sagt fast schon alles über den gegenwärtigen Zustand der dismal science hierzulande.

So liefert gerade die herrschende Nationalökonomie (mainstream economics) ein blendendes Beispiel für Theoriemonismus in einer Fachwissenschaft (sofern man bereit ist, diese Disziplin irgendwie als Wissenschaft einzuordnen). Demgegenüber ist Bharadwaj beizupflichten, die in einer Belebung des Interesses an der klassischen Nationalökonomie einen geeigneten, wenn nicht unumgänglichen Schritt sieht, den Theorienpluralismus auch in der ach so wenig interesse-neutralen Ökonomie wieder zum Durchbruch zu bringen. Gefordert sind wieder einmal die Innovatoren, dieses Mal jedoch innerhalb der Wissenschaft der Ökonomie.

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