Donnerstag, 13. November 2008

Heuschrecken fressen Volkskapitalismus auf

Was einen US-Rechtsradikalen nicht umbringt, macht ihn nur noch verrückter. Dasselbe darf man füglich von den Verantwortlichen der Europäischen Zentralbank behaupten, so man unserer Tagespresse Glauben schenken möchte.

Feste muss man feiern, wie sie fallen. In diesen "finanzpolitisch interessanten" Zeiten will man dennoch den 10. Geburtstag der Luxemburger Zentralbank nicht ungefeiert verstreichen lassen. Und pflichtgemäß in ziemlicher Sektlaune berichtet Andreas Holpert [Warnung vor Überregulierung, d'Wort 13.11.2008]:

EZB-Präsident Trichet lobt Professionalität der BCL
Stark sprach [er] sich für eine bessere Kontrolle und mehr Transparenz aus. Er warnte jedoch davor, nicht von einem Extrem ins andere zu verfallen und durch Überregulierung die Finanzbranche zu strangulieren.

Zum Abschluss standesgemäß ein Trinkspruch von Yves Mersch:

"Seine Worte „Lang lebe die BCL. Lang lebe der Euro“ wurden von viel Applaus begleitet."

In der Washington-Erklärung der Gewerkschaften zum "G20"-Krisengipfel sagen die Gewerkschaften:

"Nach Ansicht der OECD sollte die internationale Finanzarchitektur daran gemessen werden, ob sie in der Lage ist, durch die „Gewährleistung der Solvenz von Marktteilnehmern Finanzstabilität aufrecht zu erhalten“, „Investoren vor Bankrott und Betrug zu schützen“, und „effiziente und wirksame Finanzmärkte zu gewährleisten“. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das System bei allen drei Zielen versagt hat.

Über zwei Jahrzehnte haben die meisten Regierungen gemeinsam mit den IFI eine nur minimal regulierte „neue Finanzarchitektur“ unterstützt. Sie war die Grundlage der globalen Finanzmärkte, die für die aktuelle Krise verantwortlich sind. Diese Architektur war von einer unverantwortlichen Deregulierung geprägt, die eine übermäßige Fremdkapitalausstattung der Finanzinstitute – einschließlich der Investmentbanken, Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften – und „Finanzinnovation“ auf der Grundlage verbriefter Kreditrisiken förderte, mit deren Hilfe uneinbringliche Kredite unter dem Deckmantel strukturierter Finanzprodukte exportiert wurden. Das Geschäft mit strukturierten Finanzprodukten erzeugte die Illusion geringer Risiken und billigen Kapitals. Wie die Krise jetzt gezeigt hat, waren die Risiken nicht breit verteilt, sondern versteckt. Im Verbund mit „prozyklischen“ Rechnungslegungsvorschriften für den Bankensektor und rigiden Eigenkapitalanforderungen hat die Krise, die auf den Zusammenbruch der im Bereich
strukturierter Finanzprodukte operierender Institutionen folgte, einen sich selbst verstärkenden, Vermögen zerstörenden Prozess im Bankensektor in Gang gesetzt.
"

Die europäischen Zentralbänker sind nicht nur lernunfähig und dogmatisch verbissen, sondern völlig ungeeignet, die Krise, die sie selbst mitverschuldet haben, zu beheben. Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten! warnen sie. Doch ihre Haltung ist vielmehr die: Wasch mich, mach mich aber nicht nass!

Wes Geistes Kind sie sind, und wie unfähig bzw. unwillig, ihre Überwachungsaufgaben wahrzunehmen, da man sie vom Bock zum Gärtner bestellt hat, zeigen auch folgenden öffentlichen Auslassungen bei einer Konferenz, die sich mit der Hebung der Produktivität der Banken beschäftigt (Zählt die Förderung der Produktivität von privaten Banken zu den Aufgaben einer Zentralbank?!)

The focus until now has been on liquidity and financial stability issues; however, as light appears at the end of the tunnel, policymakers are asking themselves how to avoid repeating the same mistakes next time. An overhaul of the regulatory framework seems inevitable and in this context, it is crucial to understand the structural issues in the sector behind the short-term volatility. This is why I believe that careful study of financial sector productivity is required to improve our understanding of the current situation and to shape our long-term response to recent events.

Bleibt dann nur noch verzweifelte Selbstironie:

"... even central bankers have a hard time distinguishing bubbles from the fundamental level of prices."

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