Montag, 1. Dezember 2008

Ein Hoch auf die Rettungs- und Konjunkturpakete!

"Die Verschuldung des Staats war vielmehr das direkte Interesse der durch die Kammern herrschenden und gesetzgebenden Bourgeoisfraktion. Das Staatsdefizit, es war eben der eigentliche Gegenstand ihrer Spekulation und die Hauptquelle ihrer Bereicherung. Nach jedem Jahr ein neues Defizit. Nach dem Verlaufe von vier bis fünf Jahren eine neue Anleihe. Und jede Anleihe bot der Finanzaristokratie neue Gelegenheit, den künstlich in der Schwebe des Bankerotts gehaltenen Staat zu prellen - er mußte unter den ungünstigsten Bedingungen mit den Bankiers kontrahieren. Jede neue Anleihe gab eine zweite Gelegenheit, das Publikum, das seine Kapitalien in Staatsrenten angelegt, durch Börsenoperationen zu plündern, in deren Geheimnis Regierung und Kammermajorität eingeweiht waren. Überhaupt bot der schwankende Stand des Staatskredits und der Besitz der Staatsgeheimnisse den Bankiers wie ihren Affiliierten in den Kammern und auf dem Throne die Möglichkeit, außerordentliche, plötzliche Schwankungen im Kurse der Staatspapiere hervorzurufen, deren stetes Resultat der Ruin einer Masse kleinerer Kapitalisten sein mußte und die fabelhaft schnelle Bereicherung der großen Spieler."

(Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich, Marx/Engels, Ausgewählte Schriften Bd. I, Berlin 1968, S. 129)

Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Verhältnissen sind natürlich rein zufällig und völlig unbeabsichtigt.
Wie Friedrich Engels 1895 in seinem Vorwort erklärte, war diese Arbeit Marxens "erster Versuch, ein Stück Zeitgeschichte vermittelst seiner materialistischen Auffassungsweise aus der gegebenen ökonomischen Lage zu erklären". (S. 109)

Wie man sieht, Ökonomie ist zwar nicht alles. Aber man kann damit ziemlich weit in der Erklärung von Geschichte kommen.

Zum Beispiel dies wunderbare Exempel der Finanzsoziologie, dass Staatsschulden nicht nur alle arm machen können - das immerwährende Klagelied des deutschen Finanzministers -, sondern dass es immer auch einige gibt, die dadurch immer noch reicher werden.

Rudolf Goldscheid dann suchte aus der finanziellen Bedingtheit den notwendigen Charakter des Staates erkennen zu können und wollte durch seine "Finanzsoziologie" das "schroffe Mißverhältnis zwischen dem unausgesetzt wachsenden Machtapparat des Staates und der durch seine Besitzlosigkeit verursachten wirtschaftlichen Ohnmacht" näher bestimmen. (S. 41)

(Rudolf Goldscheid/Joseph Schumpeter: Die Finanzkrise des Steuerstaats. Beiträge zur politischen Ökonomie der Staatsfinanzen. Hrg. von Rudolf Hickel. (es 698), Frankfurt 1. Aufl. 1976)

Eigentlich sind ja Staatsschulden Schulden, die der Steuerzahler sich selbst gegenüber schuldet.

"Should the government have a permanent policy of running large budget deficits? Of course not. Although public debt isn’t as bad a thing as many people believe — it’s basically money we owe to ourselves — in the long run the government, like private individuals, has to match its spending to its income."
Paul Krugman: Deficits and the Future, New York Times 1.12.2008

Aber gegenwärtig ist genau der richtige Zeitpunkt, von der Sparpolitik Abstand zu nehmen. Sie mag in normalen Zeiten vernünftig sein, ist aber tödlicher Wahnsinn in Krisenzeiten ("Depression Economics").

"Es besteht kein Konflikt zwischen der Haushaltssanierung und einer aktiven Konjunkturpolitik. Wenn die Regierung nichts tut und die Konjunktur wegbricht, ist die Haushaltssanierung auch erledigt. Der Finanzminister kann wählen:
Entweder er nimmt den Konjunktureinbruch hin und bekommt am Ende eine hohe Arbeitslosigkeit und hohe Defizite. Oder er nimmt Geld in die Hand und versucht, den Konjunktureinbruch so kurz wie möglich zu halten, um dann im Konjunkturhoch - wie geschehen - den Haushalt zu sanieren." (Gustav Horn)


"Auch die Regierungen haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Sie wissen, dass es falsch und gefährlich wäre, in einem starken wirtschaftlichen Abschwung eine restriktive Finanzpolitik zu betreiben." (Sachverständigen Gutachten 2008)

Wer wie die deutschen Wirtschaftsweisen gewohnt ist, Soll-Erwartungen in Ist-Sätzen zu formulieren, darf so seine Hoffnungen - oder insgeheimes Wunschdenken - öffentlich preisgeben.

Wie dem auch sei, eines ist gewiss: Ohne Hoffnung geht die Welt(wirtschaft) zu Grunde!

1 Kommentar:

  1. Westerwelle passt die Welt nicht mehr ins Weltbild,

    http://www.tagesschau.de/inland/westerwelle138.html

    Nur: Die Welt hat noch nie in die neoliberale Utopie vom vollkommenen Markt gepasst.

    Bislang haben die Neoliberalen lediglich keinen Anlass gespürt, sich darüber zu wundern.

    Merke: Nur aus enttäuschten Erwartungen kann man lernen. (Popper)

    Freilich gibt es auch Unbelehrbare. Für deren Entsorgung sorgt die Evolution (siehe Paläontologie, Stichwort "Dinosaurier"). (Hayek)

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