Samstag, 25. September 2010

Vom Nutzen der Ökonomie, und ob sie eine Wissenschaft sei

"La crise financière récente a été davantage un échec de l'ingénierie et du management de l'économie plutôt que de [...] la science économique".

So Ben Bernanke, Chef der US-Zentralbank. Diese Äußerung wird als Retourkutsche an Paul Krugman angesehen. Dieser hatte September 2009 in der New York Times gefragt, wie sich die Ökonomen so getäuscht haben konnten, dass sie von der kommenden Krise so gut wie nichts gemerkt hätten.

Die Retourkutsche des Zentralbankchefs zeigt indes nur eines, dass ihm nämlich die Sophistik der Mainstream-Ökonomie in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wie schon Keynes herausgestellt hat, besteht die Hirnwasch-Rhetorik der neoklassischen Ökonomie nämlich darin, dass sie mit Vorliebe Dinge beweist, die mit der in Frage stehenden Sache überhaupt nichts zu tun haben.

Auf dieselbe Weise "beweist" Bernanke, dass die Wissenschaft der Ökonomie wichtig sei für Politik und Wirtschaft. Paul Krugman hat aber nichts dergleichen angezweifelt, sondern gerügt, dass die theoretische Grundlagen der Mainstream-Ökonomen inadäquat seien, um reale ökonomische Krisen zu erklären. Damit befasst sich Bernanke aber nicht. Er benötigt den Scholastizismus dieser neo-klassischen Modelle ja nur, um aus diesem Zauberhut seine geld- und wirtschaftspolitischen Kaninchen herauszuzaubern. Es geht ihm dabei nicht um wissenschaftliche Erklärung, sondern um Pseudo-Erklärung, verbunden mit Scheinlegitimation. Nicht um Wahrheit, sondern um den kurzfristigen ideologischen Nutzen.

Merke: Für Anhänger einer Ideologie wird es niemals die Ideologie sein, die sich als falsch erweist. Es kann für sie immer nur die praktische Umsetzung sein, die zu wünschen übrig lasse.

Das ist gewiss eine ökonomische "Wissenschaft", die sich geistesverwandt zeigt mit der "Politik" der Republikaner, die Krugman als einen "Angriff auf die Arithmetik" begreift. Nämlich einerseits das Staatsdefizit anprangern, und andererseits die Einnahmen nicht erhöhen wollen und dabei gerade die steuerkräftigsten Bürger des Landes (sofern sie noch im Lande sind) mit Steuersenkungen zu beglücken. Hier werden nicht nur die empirische Wahrheit, sondern auch die grundlegendsten Regeln der Arithmetik verletzt. Aber: solange es nützt ...!

Crise : Bernanke dédouane les économistes. Le Monde, 25. September 2010.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen